Kategorien
Golf

Golf und Flow, Teil 2: «Ich bin mir selber Caddie».

Einer sportpsychologischen Studie zufolge ist Caddie massgeblich am Flow-Erleben d* Golfer*in beteiligt (vgl. Swann et al. 2015). Caddie kann helfen, den für den Flow notwendigen Etat d’Esprit aufrecht zu erhalten, die Aufmerksamkeit und den Fokus auf die Leistungsziele zu lenken, Caddie kann positives Feedback geben, kann helfen, im optimalen Leistungszustand zu bleiben und kann das Selbstvertrauen d* Golfer*in unterstützen. Caddie hat damit grossen Einfluss darauf, ob Golfer*in in den Flow kommt, ob Golfer*in sich weiter im Flow bewegen kann und ob Golfer*in eine Bestleistungen abrufen kann.

Bildquelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Golf_caddy.JPG

Als Amateur Golfer*in haben wir höchst selten eine* Caddie dabei und das Golfer*in-Caddie-Team braucht Zeit, um sich zu einem funktionierenden zu entwickeln.
Aber niemand sagt, dass ich mir nicht mein* eigene* beste* Caddie sein kann: Und dazu erst noch ein* mir in Liebe verbundene* in alle Ewigkeit treue*. Wenn ich selber keine* Caddie zur Seite habe, kann ich d* Caddie in mir ausbilden und fördern. So bin ich auf die Idee gekommen, d* virtuelle Caddie zu erfinden und gebe nachfolgend sportpsychologische Tipps zum Drehbuch mit dem Titel:

«Ich bin mir selber Caddie».

Drehbuch, Regie, Schauspiel und Inszenierung sind individuell und situativ anzupassen und können beliebig weiterentwickelt werden: Wer weiss, vielleicht lässt sich d* Virtual Caddie bald am Armband tragen: Eine „Virtual Caddie App“ für die Smartwatch könnte neben den Platzdaten zusätzlich Fitnessdaten (HRV, Atemfrequenz, Puls, etc.) verwenden, um den Golfer*in noch besser zu führen.
Caddie will Golfer*in nur Gutes, will Golfer*in fördern und weiterentwickeln, unterstützen und begleiten. Sich als Golfer*in selber aus der Caddie-Perspektive wahrzunehmen, schafft emotional Distanz und erlaubt es, im „Zwiegespräch“ neue Lösungen zu finden. Die Rollen können beliebig ausgebaut werden.

1. Caddie (ich selbst) muss Golfer*in gut kennen

Voraussetzung für das gute innere Teamwork: Je besser Caddie Golfer*in kennt, desto eher funtioniert das Teamwork, weil Caddie dann besser und besser weiss, was wann, wie, in welcher Situation hilft und wie eine Führung am besten gelingt. Caddie soll von Anfang an ein Log- oder Tagebuch führen. Dieses hilft dabei, Golfer*in besser kennenzulernen, was wiederum das innere Team besser funktionieren lässt.

2. Caddie (ich selbst) brieft und debrieft Golfer*in

Briefings und Debriefings unterstützen eine gute Vorbereitung, ein gutes Training und helfen beides immer wieder zu optimieren.
Beispiele für das Briefing: Was sind die Ziele beim Training, welche Ziele sollen im Wettspiel verfolgt werden? Wie kann sich Golfer*in optimal vorbereiten? Wie sieht der Countdown vor dem Turnier aus in 10 Punkten bis zum Tee1? Was will Golfer*in erreichen? Wie lässt sich dies überprüfen? Prozessziele funktionieren im Wettbewerb weit besser als Leistungsziele.
Beispiele für das Debriefing: Was lief heute richtig gut? Was hat Golfer*in heute über sich selber gelernt: wie war das Auftreten, wie war die Körpersprache, was ging Golfer*in durch den Kopf? Was hat Golfer*in heute über Leistung gelernt: welche Löcher sind gut gelungen, welche weniger – und warum? Was macht Golfer*in nächstes Mal anders? Was war heute der grösste Misserfolg und wie geht Golfer*in damit um, so dass Golfer*in daraus etwas lernen kann? Woran will Golfer*in noch arbeiten, was will Golfer*in noch lernen und verbessern?

3. Caddie (ich selbst) schirmt Golfer*in ab und hilft, sich im idealen Leistungszustand zu bewegen

Caddie hilft Golfer*in wahrzunehmen, in welcher Tagesform und -verfassung diese* ist. Braucht es Aktivierung, braucht es Entspannung, um in einen optimalen Leistungszustand zu gelangen? Welches ist das passende Countdown vor dem Start?

Caddie hilft Golfer*in ruhig zu bleiben, bewahrt Golfer*in vor schlechten Emotionen und schirmt ab. Caddie weiss, dass sich Golfer*in nicht über längere Zeit aufregen darf, sonst wird es nicht gelingen, sich voll auf den Schlag zu konzentrieren. Regt Golfer*in sich auf, beruhigt Caddie mit gut zureden und in den Moment sowie in den Körper zurückholen. Dazu nimmt Golfer*in z.B. die Füsse ganz bewusst auf dem Boden wahr, wie fühlt sich dieser an: hart, weich, … oder entspannt sich z.B. über die Atmung.

Quelle: Fougasse (1922)

Droht Golfer*in sich zu frustrieren und kommt mal Angst hoch, holt Caddie zurück in den Moment, zeigt die anliegende Aufgabe auf und hilft, sich darauf zu fokussieren.

Caddie hilft Golfer*in die Aufmerksamkeit dahin zu lenken, wo sie gerade gebraucht wird, sich voll auf die anstehende Aufgabe einzulassen und sich darauf zu fokussieren und zu konzentrieren.
In den Pausen zwischen den Schlägen hält Caddie Golfer*in bei Laune, hilft z.B. die wundervolle Natur wahrzunehmen und hilft neue Energie zu tanken.

4. Caddie (ich selbst) redet Golfer*in gut zu und gibt positives Feedback

Realistisch positive Selbstgespräche, Aufmunterungen und positives Feedback unterstützen Golfer*in und stärken das Selbstvertrauen. Dazu muss Caddie wissen, wie Selbstgespräche umformuliert werden, muss negative Selbstgespräche als solche identifizieren und positive, aufmunternde daraus machen. Das ist ein aktiver Prozess und die neuen Sätze muss Caddie gut einstudieren und einüben, damit diese alte Gewohnheiten ablösen. Alte Gewohnheiten sind (mindful) zu akzeptieren so lange sie da sind. Golfer*in hält aktiv Distanz dazu und identifiziert die eigene Person nicht damit. Allmählich fangen die guten Gespräche an zu greifen und lösen die negativen Gedanken ab.
Caddie verstärkt jedes positive Fünkchen und freut sich mit Golfer*in über jedes gespielte Par und Birdie, so gut es geht. Golfer*in gibt der Freude mit Gesten und Lauten Ausdruck. Dies setzt die gewünschten Hormone in Bewegung.

5. Caddie (ich selbst) gibt Golfer*in klare Anweisungen

Caddie erfasst die anstehende Aufgabe und gibt Golfer*in klare Anweisungen, wie das Ziel erreicht werden kann, Schlag für Schlag: In der Think Box setzt sich Golfer*in ein klares Ziel bezüglich der gerade anstehenden Aufgabe, nämlich den Ball von A nach B zu transportieren. Dazu fasst Golfer*in einen klaren Entschluss und weiss damit ganz genau wie der Ball zu spielen ist. Je nachdem, was am besten funktioniert, wird der Ballflug vor dem inneren Auge visualisiert und oder die notwendige Bewegung visualisiert oder diese im Körper nachgefühlt etc.: Das wird auf die immer gleiche Weise in der „Pre-Shot-Routine“ abgespielt und verleiht Golfer*in die Sicherheit eines gewohnten Ablaufes.
Pre-Shot-Routinen unterstützen Performance und eine gute Performance stärkt das Selbstvertrauen. Mentales Training kann Pre-Shot-Routinen ideal unterstützen und in diesem Zusammenhang kann Flow entstehen.
Dann tritt Golfer*in über die imaginäre Entscheidungslinie in die Play Box. Dort spielt Golfer*in den Ball innerhalb der nächsten paar Sekunden genauso wie in der Think Box geplant. In der Play Box ist Golfer*in komplett commited und führt den Schlag nur noch aus. Für die Think & Playbox verweise ich auf Nilsson & Marriott (2011).

6. Caddie (ich selbst) bringt Golfer*in ins Hier und Jetzt

Aus dem Hier und Jetzt kann Mikroflow, Flow und Superflow entstehen. Caddie schaut, dass Golfer*in im Hier und Jetzt bleibt. Caddie „spricht“ mit Golfer*in über den Golfplatz, über Flora und Fauna, darüber was gerade geschieht, ohne zu werten oder zu bewerten, mindful/achtsam. Der Geist wird aktiv und wach gehalten, indem die anstehende Aufgabe geplant und ein anspruchsvolles, aber lösbares Ziel gewählt wird. Das ganze Drehbuch soll sich am Hier und Jetzt orientieren. Das Hier und Jetzt ist der Schlüssel zum Flow.

Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Elephant_caddy.jpg

Fazit für die sportpsychologische Praxis

Sich selber als Caddie beizustehen, solange es Caddie noch nicht als Smartwatch-App zum Mitnehmen gibt, kann ein Kunstgriff sein, der für manche funktioniert und für andere nicht. Ganz klar und in vielen Studien bewiesen ist aber, dass das Anwenden von sportpsychologischen und mentalen Techniken hilft, eine bessere Leistung zu zeigen und dass damit die Wahrscheinlichkeit in den Flow zu kommen höher wird. Flow auf Knopfdruck kann vermutlich auch die Smartwatch-App nie produzieren.
Manch flow-fördernder Faktor wurde benannt – welcher jetzt wem in welchem Augenblick am besten hilft, ist und bleibt die grosse Frage, die sich Golfer*in nur selber beantworten kann. Sich im Hier und Jetzt bewegen ist ein guter Anfang.
 
> zurück zur Übersicht Magazin – die Themen